Hintergrundwissen

Paradox of Choice bei Produktkonfiguratoren

Vielleicht sagt Ihnen der Begriff “Paradox of Choice” etwas. 2004 hat ihn der amerikanischen Psychologe Barry Schwartz erstmals in seinem Buch “The Paradox of Choice - Why More Is Less” definiert. Darin begründet er, wie unsere Zufriedenheit vom Erfolg oder Misserfolg unserer Ziele abhängt. Das Konzept dahinter ist besonders interessant für Konfigurator Projekte und Mass customization

Paradox of Choice bei Produktkonfiguratoren

Zusammenfassen kann man das Argument so: Mehr Auswahlmöglichkeiten oder Optionen erschweren es Menschen, eine Entscheidung zu treffen. Dies mindert ihre Zufriedenheit. Obwohl diese Theorie Implikationen für viele Bereiche unseres Lebens hat, ist es vor allem in einem geschäftlichen Kontext sehr relevant. Je größer die Anzahl an Varianten und Optionen eines angebotenen Produkts, desto größer ist das Risiko für die Kund:innen an einen Punkt zu kommen, an dem ihnen die Entscheidung als zu schwierig erscheint. Und um diesen Konflikt zu bewältigen, treffen sie gar keine Entscheidung. Was natürlich bedeutet, dass sie keinen Kauf tätigten. 

 

Was kann man von Marmelade lernen?

Eines der wichtigsten Experimente zu „Paradox of choice“ wurde in einem Gourmet Supermarkt in Kalifornien durchgeführt. Die Forschergruppe stellte einen Probierstand mit Marmeladengläsern auf, einmal mit 6 verschiedenen Geschmacksrichtungen und ein anderes Mal mit 24 unterschiedlichen Optionen. Kund:innen des Supermarkts, die Proben gekostet hatten, wurde anschließend ein Gutschein gegeben, mit dem sie Marmelade günstiger kaufen konnten. Durchschnittlich wurden in beiden Szenarien 2 Geschmacksrichtungen getestet.

Hier kommt der interessante Teil: 60% der Supermarkt Kund:innen blieben vor dem großen Sortiment stehen, aber nur 40% wollten das kleinere Probieren. Doch 30% der Tester:innen des kleinen Sortiments kauften anschließend ein Glas Marmelade, bei dem großen Sortiment entschieden sich nur 3% der Tester:Innen zum Kauf.
 
Dieses Ergebnis suggeriert, dass eine Balance gefunden werden muss: Zu viele Optionen und weniger potentielle Kund:innen entschließen sich zum Kauf, zu wenige Optionen und weniger Menschen empfinden das Angebot als attraktiv genug, wollen sich daher nicht mit dem Sortiment auseinandersetzen.

Paradox of Choice bei Produktkonfiguratoren

Wie viel Auswahl ist also genug?

Produkt Konfiguratoren erleichtern die Entscheidung darüber, wie viele Varianten die größte Optimierung bieten, wenn sie technisch so implementiert sind, dass Produkte flexibel geändert werden können. Denn sie erlauben es Marketern, Tests mit unterschiedlich vielen Varianten durchzuführen, um zu sehen, wo die optimale Balance liegt. Selbstverständlich passiert das nicht von heute auf morgen, sondern durch iterative Entwicklungszyklen.

Ein weiterer Vorteil in diesem Zusammenhang ist, dass die durch den Konfigurator generierten Daten und User Metriken dazu verwendet werden können, das Standardsortiment so zu optimieren, dass Kund:innen ihr perfektes Produkt bereits fertig konfiguriert kaufen können, was ihnen oft die “Qual der Wahl” nimmt. Voraussetzung dafür ist die Möglichkeit, Daten zu Konfigurationen und Varianten zu sammeln und auszuwerten.

 

Wie kann ich das Risiko minimieren?

Natürlich kann man auch direkt im Konfigurator das Risiko minimieren, indem man beispielsweise intelligente Empfehlungssysteme integriert, die Kund:innen durch den Konfigurationsprozess führen und ihnen das Gefühl vermitteln, ihren Entscheidungen vertrauen zu können. Schließlich wurden diese Entscheidungen ja nicht völlig alleine getroffen, sondern eben mit Hilfe der Empfehlungen.
 
Ein Fehler, dem man öfters bei Konfigurator Projekten begegnet ist: Funktionalitäten oder Features, die technisch realisierbar und komplex sind, aber keinen konkreten Vorteil aus User-Sicht aufweisen. Wobei kein konkreter Vorteil für User noch besser ist als der Worst Case: nämlich dass dieses Feature Kund:innen verwirrt und deshalb eher als Nachteil wahrgenommen wird. 
 
Die Lösung dafür ist eine nutzerzentrierte Sicht auf den gesamten Entwicklungsprozess. Vor der Implementierung neuer Features soll immer hinterfragt werden, welche Vorteile sich dadurch für die User ergeben und die Nützlichkeit validiert werden, idealerweise durch Tests in einer möglichst realitätsnahen Umgebung.

Paradox of Choice bei Produktkonfiguratoren

Die optimale Balance zwischen zu vielen und zu wenigen Optionen hängt auch vom Produkt und der Zielgruppe ab. Wünschen sich Ihre User 25 Nuancen jeder Farbe? Super, wenn die Antwort auf die Frage nein ist und Sie mit weniger auskommen können. Falls Sie Ihren Kund:innen dennoch so viele Optionen bieten wollen, können sie auf Guiding-Techniken und die oben erwähnten Empfehlungssysteme (Recommendation Engines) zurückgreifen. Zum Beispiel können die 5 beliebtesten Farben hervorgehoben werden, oder Optionen vorgeschlagen werden, die gut zur Konfiguration passen. So können ihre Kund:innen nach wie vor aus einer großen Bandbreite an Optionen wählen,  aber mit kuratierten Vorauswahlen aus der Unsicherheit “geführt” werden. Diese Regel gilt aber generell: Denken Sie immer darüber nach, wie der Konfigurator Nutzer:innen bei der Entscheidungsfindung unterstützen kann.

„Paradox of choice“ zusammengefasst:

  • Potentielle Kund:innen schätzen ein großes Sortiment und viel Auswahl
  • Zu viel Auswahl und Optionen können verwirrend und lähmend wirken
  • Reduzieren Sie die Risiken, die Kund:innen keine Entscheidungen treffen lassen
  • Unterstützen Sie Ihre Kund:innen dabei, ihre perfekte Konfiguration zu finden
  • Evaluieren Sie die Sinnhaftigkeit von Features aus Nutzersicht
  • Vergleichen Sie die Performance mit einer unterschiedlichen Anzahl von Varianten

 


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