Ecommerce

Fachhandel und E-Commerce: Hassliebe oder Erfolgsmodell

Autor: Klaus Pilsl

Viele Produkte sind heute am besten via E-Commerce zu kaufen. Dennoch gibt es Produkte, die die Leistungen eines Fachhandels oder Ähnliches brauchen. Nämlich dann, wenn es für den Kauf unerlässlich ist, das physische Produkterlebnis vor dem Kauf anzubieten.

Andererseits gibt es heute bereits viele Produkte, die noch traditionell über den Fachhandel vertrieben werden, obwohl die Kund:innen den Einkauf über E-Commerce bereits klar bevorzugen.

Wir sprechen in diesem Artikel über den Trend zu E-Commerce. Die Vor- und Nachteile des Fachhandels, dessen Ängste, wie Hersteller damit umgehen können und vor Allem, welche Strategien es gibt, um Fachhandel und E-Commerce zu vereinen.

Aber alles der Reihe nach. Schauen wir uns zuerst an, was den Fachhandel so besonders und einzigartig macht. 

  1. Bewerbung des Zielgebietes (Leadgenerierung): Der Fachhandel ist oft lokal verwurzelt und hat tiefgreifendes Wissen über den Markt und die Bedürfnisse der Kund:innen in seinem Einzugsgebiet. Durch gezielte Werbung und Marketingmaßnahmen kann er potenzielle Kund:innen erreichen und diese für seine Produkte begeistern.
  2. Ausstellung der Produkte, um sie live zu erleben: Ein wichtiger Vorteil des Fachhandels liegt in der Möglichkeit, die Produkte für die Kund:innen vor dem Kauf live erlebbar zu machen. Das Anfassen, Ausprobieren und Kennenlernen schafft ein physisches Produkterlebnis, das im E-Commerce nicht repliziert werden kann. Besonders bei Produkten wie Möbeln, Elektronik oder Fahrzeugen ist dieser Aspekt von großer Bedeutung.
  3. Knowhow, Beratung, Bestellung: Der Fachhandel verfügt über Fachkenntnisse und Expertise, die er seinen Kund:innen zur Verfügung stellt. Er kann bei der Produktauswahl beraten und individuelle Anforderungen berücksichtigen. Darüber hinaus kann der Fachhandel den Bestellprozess unterstützen und Kund:innen bei Fragen oder Bedenken begleiten. Hier liegt aber auch eine Gefahr für den Hersteller, auf die wir nachher noch eingehen werden.
  4. Maß nehmen, Montage, Betreuung, After Sales Service: Ein weiterer Vorteil des Fachhandels liegt in den umfassenden Dienstleistungen, die er anbieten kann. Von der Maßaufnahme über die Montage bis hin zur Betreuung nach dem Kauf bietet der Fachhandel einen Rundum-Service, der das Vertrauen der Kund:innen stärkt und langfristige Kundenbeziehungen fördert.
Fachhandel und E-Commerce: Hassliebe oder Erfolgsmodell

Welche neuen Möglichkeiten und Seiteneffekte gibt es beim Einsatz eines Konfigurators im Zusammenspiel mit dem Fachhandel:

Beim Einsatz als Sales Support Tool direkt in den Verkaufsräumen des Fachhändlers: 

  • Der Konfigurator unterstützt den Fachhändler in seiner täglichen Arbeit.
  • Der Konfigurator kann die gesamte Bestellabwicklung übernehmen.
  • Der Konfigurator ergänzt sich hervorragend mit den Ausstellungsobjekten im Schauraum, weil er nicht nur die ausgestellten, sondern wirklich alle Konfigurationen präsentieren kann.

 

Beim (zusätzlichen) Einsatz im E-Commerce, beispielsweise einem Onlineshop:

  • Hier haben meist die Kund:innen ihren ersten Kontakt mit dem (virtuellen) Produkt, lernen es kennen und bauen eine erste Beziehung dazu auf.
  • Beim Fachhandel kann auf diese Konfiguration aufgebaut werden, und der Vertriebsprozess optimiert und verkürzt werden (Effizienzsteigerung).
  • Durch eine günstige Vertriebsabwicklung sind attraktivere Angebote möglich  (Preisreduktion).
  • Hohe Agilität und Flexibilität bei Änderungen des Produktangebotes.
  • Bequem für Kunden = Schnellerer Abschluss
  • Der Konfigurator übernimmt automatisch einen wesentlichen Teil der Händlerschulung (siehe dazu Artikel: Können meine Händler den 3D Konfigurator auch nutzen?)
  • Der Kunde hat zusätzlich die Möglichkeit direkt online zu bestellen, ohne den Fachhandel zu besuchen.


Dieser letzte Punkt ist häufig der Streitpunkt zwischen Fachhandel und Hersteller. Der Fachhandel fühlt sich oft übergangen, weil Kund:innen seines Zielgebietes das Produkt viel einfacher online kaufen können, und somit der Fachhandel keine Provision erhält. 

Oft versuchen dann Hersteller das Dilemma dadurch zu lösen, dass im öffentlichen Konfigurator keine Preise angezeigt werden. Davon raten wir jedoch dringend ab. Denn Kund:innen erwarten heute, dass online die Preise offen ersichtlich sind. Am liebsten sogar mit dem finalen Preis oder zumindest mit einer Preisindikation. Angebote, für die der Kunde oder die Kundin keine Preise findet, werden als unseriös und unattraktiv empfunden. Grundsätzlich ist zu sagen, dass alle Verzögerungen im Kaufprozess (zB Preissuche) von Kund:innen abgestraft werden, und diese dann vermehrt zum Mitwerber wechseln, denn dieser ist meist nur einen Klick entfernt.

Fachhandel und E-Commerce: Hassliebe oder Erfolgsmodell

Welche Lösungsstrategien gibt es dafür:

  • Gebietsschutz: Wenn es durchführbar ist, kann der Hersteller den Fachhändlern Gebietsschutz gewähren. Gleichzeitig erhält der Fachhändler immer die Provision, egal ob er das Produkt selbst verkauft hat, oder ob es im E-Commerce an eine Lieferadresse seines Zielgebietes verkauft wurde – das findet man häufig in der Bauelementebranche.
  • Differenzierte Produktangebote: Der Hersteller könnte eine neue Marke einführen, die nur im E-Commerce vertrieben wird und deren Produkte sich von der bestehenden Marke unterscheiden.
  • Funktionale Trennung der Aufgaben: Der Hersteller kann seine Fachhändler voll in den E-Commerce-Vertriebsprozess einbinden. Das könnte so aussehen, dass der Fachhändler selbst keine Bestellabwicklung (siehe oben 3. Funktion des Handels) mehr macht. Jede Bestellung wird im Onlineshop abgegeben, und der Fachhändler kümmert sich nur noch um die Ausstellung der Produkte, Betreuung der Kund:innen im Schauraum, und zB den After Sales Service. Die Incentivierung des Fachhandels passiert getrennt von den Bestellungen nach anderen Leistungskriterien (strahlendes Beispiel dafür ist Tesla).

 

Zusammenfassung

Die Vertriebswege Fachhandel und E-Commerce haben jeder für sich einzigartige Stärken. Daher liegt eine bedeutende Chance in der Zusammenarbeit dieser beiden. Es ist entscheidend die Strategie so zu wählen, dass die Bedürfnisse der Kund:innen zentral berücksichtigt werden (Einfachheit, Schnelligkeit, Preistransparenz, Spaßfaktor, etc.) und gleichzeitig die Stärken beider Vertriebskanäle klug kombiniert werden. Das bedeutet aber auch, dass sich der Fachhandel verändern und er sich auf seine Stärken konzentrieren muss.
Denn es ist an der Zeit, den Kampf zwischen Fachhandel und E-Commerce in eine fruchtbare Zusammenarbeit zu verwandeln und das Beste aus beiden Welten für die Kund:innen zu nutzen.